„Wir müssen politischer leben“
Bundespolitikerin Strack-Zimmermann sprach beim Jahresempfang des Hildesheimer Bischofs
Rund 300 geladene Gäste aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Ökumene und interreligiösem Dialog sind am Sonntagabend zum Jahresempfang des Hildesheimer Bischofs Dr. Heiner Wilmer SCJ gekommen. Rednerin im Hildesheimer Dom war die Bundespolitikerin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag beschrieb die Herausforderungen, die sie heute für Politik und Gesellschaft in Deutschland sieht. „Wir leben in einer Zeit der Transformation“, sagte Strack-Zimmermann und spielte auf den Klimawandel, den Krieg in der Ukraine und Menschenrechtsverletzungen in vielen Ländern weltweit an.
In Deutschland registriere sie, dass die „Gesprächskultur bei vielen sehr abgerissen“ sei. „Deshalb ist es wichtig, Dinge einzubetten, zu erklären und eine Streitkultur im besten Sinne beizubehalten“, so das FDP-Präsidiumsmitglied. Dazu gehöre auch, gegen Hass und Diskriminierung Position zu beziehen: „Wir müssen politischer leben, müssen Gegenwind aushalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen ausgegrenzt werden.“
Sie stellte ohne Umschweife fest: Dass Deutschland Waffen an die Ukraine liefere, sei ein hartes Thema, weil Waffen nun einmal dazu da seien, um zu töten. „An diesem Punkt geht die Diskussion auseinander. Diese Diskussion fordert unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt enorm heraus“, so Strack-Zimmermann, die auch von ihren Besuchen in der Ukraine berichtete. „Ich möchte niemandem zumuten, in ein Kriegsgebiet zu fahren, aber es macht demütig.“
Sie habe sich in einem ukrainischen Krankenhaus mit schwer verwundeten Soldaten und deren Angehörigen unterhalten: „Was sagt man einer Mutter, deren Sohn ohne Arme und Beine in einer Klinik liegt?“ Sie habe nur sagen können: „Danken Sie Gott, dass Ihr Sohn lebt.“
Strack-Zimmermann streifte in ihrer Rede auch die Theodizee-Frage: „Wo bist Du, lieber Gott, wenn Menschen übereinander herfallen?“, fragte die Katholikin und lieferte ihre pointierte persönliche Einschätzung gleich mit: „Sind wir auf der Seite der Schwachen? Das hat uns Gott selbst überlassen. Deshalb halte ich ihn auch für den größten Liberalen.“
Zuvor hatte Bischof Wilmer ihr sowie allen anderen politischen Verantwortungsträgerinnen und -trägern für ihr Engagement für die Gesellschaft und für den Frieden gedankt: „Wir können nur ahnen, über welche Fragen sie beraten und entscheiden müssen. Wir können nur ahnen, wieviel Kraft, Zeit und Schlaflosigkeit diese notwendigen Prozesse, Abwägungen und Beschlüsse kosten.“
Dem Vortrag von Marie-Agnes Strack-Zimmermann war eine Vesper im Dom vorausgegangen. Dabei schilderte der Bischof, wie er vor vielen Jahren in New York zum ersten Mal hörte, wie ein deutsches Wort über das Jiddische ins amerikanische Englisch eingegangen ist: „A real Mensch.“
Dies seien Menschen, die Brücken bauten für andere, ein echtes Interesse an ihrem Gegenüber hätten. „Ich bin unseren jüdischen Geschwistern sehr dankbar für diesen Ausdruck: A real Mensch schenkt Hoffnung“, so Wilmer. Dies griff anschließend auch die Politikerin Strack-Zimmermann auf und betonte: „Hoffnung ausstrahlen und positiv sein – das sollten wir uns erhalten.“